Laudatio von Thomas Gruber

Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Herr Krieter, liebe Freunde der Bürgerstiftung Bonn und – natürlich von Douglas Swan!

Der diesmalige Förderpreis der Douglas Swan-Stiftung als Unterstiftung der Bürgerstiftung Bonn geht an den Künstler Christian Krieter.

Ich darf in Ergänzung zu dem von Herr Grillo als Nachlassverwalter und Vorsitzendem des Beirats bereits Erwähntem noch kurz die Grundlagen der für den Vorschlag der Jury (Herr Dr. Schmidt - leider durch Krankheit verhindert und mit unseren besten Wünschen zur baldigen Genesung - , Frau Jutta Reucher und mich) vorgegebenen Bedingungen erläutern:
Professionalität - eine Altersbegrenzung um dem Anspruch eines Förderpreises mit begrenzten Mitteln gerecht werden zu können - ein Bezug zur Region (sei es durch Wohn/Arbeitsort oder Studium) – und letztlich eine im weiteren Sinne gegenständliche Malerei.

Aus einer Vorauswahl selektieren wir 3-5 Favoriten, die dann in einer Jurysitzung diskutiert und anschließend dem Stiftungsbeirat vorgestellt werden, der dann die endgültige Entscheidung trifft.

Dieses Mal fiel die Wahl, nach Pandemie bedingten Verschiebungen im vergangenen Jahr, auf den Künstler Christian Krieter: 1986 in Duisburg geboren, Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf und dort Meisterschüler bei Reinhold Braun.

Christian Krieter äußert sich auf seiner erfreulich klar angelegten Webseite selbst folgendermaßen zu seiner Kunst: „Ich verzichte bei meiner Arbeit auf programmatische Ansätze, male um des Malens willen, bin planlos aber nicht konfus. Ich male ohne Konzept, metaphysische Aufbauten, Vorlagen und Notizen. Im Wesentlichen verarbeite ich Gesehenes, Gesagtes, Flüchtiges. Man muss sich nur danach fragen. Ein Bild ist daher die Summe vieler Zitate.“

Das ist eine bemerkenswert nüchterne Beschreibung eines kreativen Prozesses, und ich glaube, Douglas Swan hätte diese Aussage ohne zu zögern auch unterschreiben können – gilt er doch nicht umsonst als ein ‚Meister des Alltags‘.

Auf den ersten Blick mag die Malerei der beiden Künstler nicht viel Gemeinsamkeit aufweisen (dies wäre auch kein Kriterium für diese Preisvergabe), doch es lohnt sich, hier einmal genauer hinzusehen: Auch wenn wir hier mit den beschränkten Möglichkeiten dieser kleinen Feierstunde nur je ein Bild der beiden Künstler zeigen können, ergeben sich neben den offensichtlichen Unterschieden in Malweise und Kolorit, doch einige bemerkenswerte Übereinstimmungen.

Das beginnt schon bei Äußerlichkeiten wie den Bildtiteln, die bei beiden Künstlern in der Tat an Nüchternheit kaum zu übertreffen sind: hier stehen sich Titel wie „Paperbag“ bzw. „Konsument“ als schönes Begriffspaar in nichts nach.

Hinter den lapidaren Titeln steht allerdings spannende Malerei. Bei Douglas Swan – nur kurz skizziert – sehen wir eine aus der zeitgenössischen britischen Pop Art entwickelte Materialkunst mit Collagen, applizierten Gegenständen – natürlich aus dem Alltag entlehnt – die zu seiner uns allen geläufigen Doppelbödigkeit führen: Duplizierung des Dargestellten ‚präzise – diffus‘, sei es in der gleichen Bildebene (wie häufig bei Papierarbeiten), sei es über/hintereinander bei den AIR-Bildern und den dreidimensionalen Werken der 60er Jahre in Form von ausgesägten Sperrholzelementen vor oder hinter der Leinwand, die je nach Position des Betrachters zu einer Perspektiv-verschiebung führen. Der bekannte und vertraute Gegenstand wird solchermaßen in einen Bereich der Ungewissheit geführt. Bei einem Besuch der neuen Räume der Bürgerstiftung können Sie dort hierfür einige schöne Beispiele sehen.

Christian Krieter arbeitet naturgemäß mit anderen bildnerischen Mitteln – schließlich haben wir es kunsthistorisch betrachtet mit einem Unterschied von rund drei Generationen zu tun. Im Vorwort eines Kataloges findet sich der Hinweis auf einen seiner Lehrer, der die Bilder als „apokalyptisch“ bezeichnete. Diese Charakterisierung wird vom Autor mit dem Argument, es handle sich eher um die Darstellung einer „gefährdeten Idylle“ zurückgewiesen. Wir finden auch einen Vergleich – zur Zeit immer wieder gern benutzt – mit Werken von Neo Rauch. Beide Einordnungen sind zweifellos der Unsicherheit bei der Deutung des Dargestellten geschuldet.

Wir sollten die Aussage des Künstlers „ein Bild ist die Summe vieler Zitate“ ernst nehmen und werden dann feststellen, dass seine Kompositionen im Grunde die Summe vieler Bilder sind. Häufig handelt es sich um Einfigurenbilder: eine Person in einem für diese Figur sozusagen reservierten Bildraum. Die weiteren Bildelemente sind meist so angeordnet, dass sie praktisch ihre eigene Welt darstellen, immer wieder durch scharfe Schnittlinien und starke Farbkontraste akzentuiert. Architekturdetails, Fassaden, Interieurs, landschaftliche Andeutungen – mitunter ist nicht feststellbar, ob sich die Protagonisten in Innenräumen oder außerhalb befinden – dies legt den Vergleich mit Film- oder Theaterkulissen nahe, die je nach Bedarf verschoben werden können. Eindeutig scheint aber: es findet offensichtlich keine Interaktion innerhalb des Bildes statt. Wir sehen aber eine raffinierte Verschachtelung der verschiedenen Bildebenen in denen sich Chaotisches und Bedrohliches zeigt: Feuer, Rauch, Unvollständiges und Unfertiges, was an den Bildrändern durch Farbverläufe und frei gelassene Leinwand noch verstärkt wird. Diese Peripherie umkreist die Hauptfigur regelrecht, und man kann hier durchaus eine Form von Unentrinnbarkeit herauslesen – allerdings beeindruckt dies die Dargestellten wohl nicht sonderlich – eher ist es schon der Betrachter, der sich beunruhigt fühlt, vielleicht gerade wegen des offensichtlichen Mangels an Kommunikation zwischen den Protagonisten und der sie bedrohenden Umgebung. Und diesem Betrachter ‚baut‘ der Künstler sozusagen eine Brücke in seine Bildwelt hinein, mit ausufernden Bildrändern, angeschnittenen Gegenständen und Figuren. Kunstgriffe, die Beginn oder Ende eines Bildes verschleiern, ebenso wie der immer wieder einmal nicht ‚fertig‘ gemalte untere Bildrand eine Art Sockel bildet und unwillkürlich an die seit der klassischen Antike praktizierte Form der Scherwand erinnert, über die hinweg dem Betrachter die Illusion des Ausblicks in die Landschaft – sprich Welt – vermittelt wird.

Bei der Arbeit, die Herr Krieter uns heute mitgebracht hat – eines der eher seltenen mehrfigurigen Bilder – steht nun allerdings die Hauptperson wie ein Wächter zwischen uns und dem eigentlichen, inneren, auf schwarzem Grund gemalten Bild.

„Gartenarbeit“ – so der Titel dieses Werks – erscheint hier eher nicht als Idylle, auch wenn der Baum, das zentrale Motiv, durchaus dekorative Qualitäten aufweist, die einem David Hockney der sechziger Jahre zur Ehre gereichen könnten. Der Gartenwächter im Vordergrund erinnert stark an ein anderes Gemälde des Künstlers, den „Weltverbesserer“, der ebenfalls mit einer Axt bewaffnet, der Umwelt (uns), seine Sicht auf die Dinge nahe bringen möchte…

So stellt Christian Krieters Bild-Welt einen Appell an uns alle dar, der angesichts der unübersehbaren Probleme allseits ziemlich selbsterklärend sein dürfte, auch wenn eine Gesamtdeutung eines künstlerischen Werkes hiermit natürlich nicht gegeben sein kann. Vielleicht können diese bescheidenen Ausführungen aber zum Verständnis beitragen, mit welchen bildnerischen Mitteln zwei so verschiedene Maler uns in ihre Welt hineinziehen können.